GPZ Brandenburg

Aktuelles

16. Dezember 2015 / Stefan Dörfer

Wahlbriefe

Sehr geehrter Herr Dr. Herbert,

ich möchte mich zu ein paar Punkten äußern, da ich denke, dass in dem Rundbrief von Herrn Dr. Weßlau viele wichtige Punkte ausgesprochen wurden, die einer intensiven Diskussion bedürfen.

Das ist meine persönliche Meinung / Sichtweise:

1. zu ÜBAG´s / KüBags / MVZ Strukturen

2007 habe ich die Praxis meiner Ma in Potsdam übernommen. Heute ist es eine KüBAG mit 5 Standorten in Postdam und Berlin. Die ZÄK (Dopllebeiträge) und die KZV taten alles, um Strukturen wie die unsrige zu verhindern/behindern. Nur hat sich wirklich niemand von Ihnen einmal die Frage gestellt, warum ich/wir diese Struktur aufbauten.

  • Potsdam liegt sehr nah an Berlin - in Berlin entwickelten sich nach der Zulassungssperre KFO Kontrukte mit bisher 15 Kieferorthopäden und 100 Angestellten - weiter extrem stark wachsend - meinen Sie nicht, dass es sinnvoll ist, diese Entwicklungen in allen eigenen Praxisentscheidungen zu bedenken?
  • Ursachen hierfür: viele Kieferorthopäden wollen keine eigenen Praxis mehr aufbauen - die wollen entweder im Angestelltenverhältnis arbeiten oder Partner mit Eigenkapital werden - aber mit kalkulierbarem Risiko und Sicherheitsnetz
  • sie wollen als Kieferorthopäden arbeiten und keine 20 h/Woche für administrative Arbeiten aufwenden
  • sie wollen in tollen Praxen arbeiten (ab 500.000 € Invest) aber keine 50 h/Woche - daher sind Gleitzeiten vor allem für die ganzen jungen Kieferorthopädinnen (Mütter) sehr interessant - dann ist die Rückführung der inzwischen immer höher werdenden Praxiskredite fraglich

Wenn die ÜBags im Vergleich zu der Einzelpraxis nicht so interessant für die jungen Kieferorthopäden wären, würden die ÜBags doch keine guten Ärzte finden, die bei ihnen arbeiten. Im Bekanntenkreis arbeiten aber nur 50% aller jungen Kieferorthopäden in einer eigenen Einzelpraxis - die anderen möchten dieses nicht - diese Tatsache muss man doch akzeptieren.

  • ÜBAgs schaffen auch Planungssicherheit gegenüber dem Personal - haben Sie eine Einzelpraxis und vielleicht einen Zahntechniker und eine Verwaltungsangestellte - was machen Sie bei dem heutigen Arbeitsmarkt, wenn Ihnen jemand aus Krankheit/Umzug ect. wegfällt? In einer ÜBAG haben Sie 5 oder 10 Techniker / 4 oder 5 Verwaltungsangestellte - hier können Sie Personalfluktuation temporär wegpuffern - das macht das Arbeiten in der Praxis entspannter.
  • was machen Sie in einer Einzelpraxis, wenn Sie 1/2 Jahr krank sind? in einem größeren Konstrukt wird jeder für den anderen einspringen und die Patientenversorgung / das Gehalt für die Helferinnen / die Miete sind gesichert
  • es ergeben sich im Einkauf erhebliche Synergien

Und meinen Sie nicht auch, dass es sinnvoll ist, sich der Entwicklung des Marktes zu stellen? Sie können Konstrukte wie Adentics (aus Berlin) nicht verhindern. Warum sollte es ein Fehler für einen Brandenburger Kieferorthopäden sein, sich gegenüber diesen konkurrenzmäßig zu positionieren?

Zur Fremdkapitalisierung von MVZ´s: Wissen Sie eigentlich, dass die APO Bank im letzten Jahr den größten Schiffbruch seit Jahren damit gemacht hat, dass sie zweistellige Millionenkredite abschreiben durften? - es ging hierbei ausschließlich um ärztliche MVZ Finanzierungen.  Wenn eine MVZ Struktur eine Gelddruckmaschine wäre, würde doch jeder eines betreiben wollen - nur glauben Sie wirklich, dass Sie dann Ärzte und Personal in ihrem MVZ halten können? Ich habe wirklich noch nie erlebt, dass ein Arzt langfristig in einer Praxis/üBAg/ MVZ bleibt, wenn er das Gefühl hat, dass es für ihn finanziell unattraktiv wäre oder er finanziell gegenüber einer Einzelpraxis benachteiligt wäre - es gibt einfach viel zu wenige gute Ärzte und viel zu wenig gutes medizinisches Personal - und das wird sich in den nächsten 10 Jahren auch nicht ändern - und in solch einer Marktlage bestimmen die Ärzte und das Personal die Arbeitsbedingungen, ihre Bezahlung. Ich sehe also überhaupt kein Interesse für einen Fremdinvestor, da gar nicht die dafür notwendigen Renditen erzielt werden können. Die Angst vor Fremdkapitalgebern relativiert sich dadurch, dass unser Berufsstand jederzeit in die Selbstständigkeit ausweichen kann - und das ist gut so - und die Einzelpraxis muss trotz aller Diskussion um MVZ / ÜBags ect. immer gestärkt werden, da es die tragende Säule für ein Gleichgewicht darstellt. MVZ mit Fremdkapitalgebern kann es derzeit nur im ärztlichen Sektor geben, da hier noch die Zulassungssperre präsent ist - die Ärzte können sich ja nicht niederlassen - fällt diese, rennen den heutigen MVZ die guten Ärzte weg oder diese werden so attraktiv entlohnt, dass sie bleiben - dann ist die Rendite des Fremdkapitalgebers aber dahin und er wird das Konstrukt an die Ärzte/Krankenhausbetreiber verkaufen. Meine Überlegungen sind hier sehr pragmatisch - aber real.

Ich habe für mich/uns den Weg gewählt - kleine Einzelpraxen mit tollen Partnern und einer hochprofessionellen vernetzten Verwaltung im Hintergrund. Hier sehe ich derzeit den besten Kompromiss zwischen individueller Entfaltung (jede Praxis agiert für sich allein) und Reaktion auf die Marktentwicklung (zusammen sind wir stark - jeder steht für den anderen ein). Wenn jemand anderes den Sinn im MVZ sieht oder in sonst einem anderen Konstrukt - so sollte man sich doch erst einmal dieses in Ruhe anschauen und einmal neutral abwägen, was für den Patienten, das Personal, die Ärzte in diesem Fall besser wäre und ob das MVZ nicht eine unbesetzte Lücke füllt, die kein anderer füllen wollte oder konnte.

Ihren Satz mit den ausländischen Zahnärzten empfand ich im übrigen sehr sehr grenzwertig. Mein Partner (Dr. Gomez Serrano und Dr. Göz) sind z.B. in Deutschland geboren, aufgewachsen, haben hervorragende Abschlüsse, sind sehr kompetente Ärzte - beide Väter sind zahnärztliche Professoren - was hat ihre ursprüngliche Herkunft mit ihrer Arbeit zu tun? Deren Vita liegt weit über Durchschnitt. Im übrigen haben ca. 30 % aller Kieferothopäden in Deutschland eine Abstammung von ehemaligen Migranten in 2. und 3. Generation.

Wissen Sie - wenn Sie persönlich der Meinung sind, dass ein ausländisch klingender Name mit einer schlechteren Behandlung gleichzusetzen ist (genau das lese ich heraus), so distanziere ich mich von diesen Gedanken - der Patient hat die Wahl - der Patient entscheidet wo und von wem er behandelt werden will - wenn die Patienten nicht zu Herrn Weßlau und seinen "ausländischen Assistenten" wollen, gehen sie halt nicht hin - nicht Sie oder sonst irgendjemand bestimmen, welcher Arzt  zum Patienten passt und wer nicht - das entscheidet der Patient - ganz alleine. Und wenn sich der Patient von den "ausländischen Assistenten" gut behandelt fühlt, so wird er dort bleiben - Punkt.

Ich setze jetzt einfach einmal voraus, dass Sie den Satz mit den ausländischen Asssitenten politisch korrekt meinten und dieser nur durch einen sehr unglücklichen Umstand komplett falsch formuliert aufs Papier gekommen ist bzw. hätte nie dort landen dürfen.

Kurz: Ich wünschte mir jedenfalls eine sachliche Diskussion ohne Vorurteile über die Entwicklung der zahnärztlichen Versorgung in Brandenburg - auch im Vergleich mit der Entwicklung des Berliner Nachbarn.

2. Notdienste

Der Notdienst ist wichtig - aber auch eine erhebliche Belastung für die Zahnärzte und das Personal - und das bestätigt Ihnen fast jeder niedergelassene Zahnarzt. In meiner mathematischen Logik sind Sie bei 100 zusammengefassten Zahnärzten 3,5 mal im Jahr dran / bei 360 Zahnärzten 1 mal im Jahr.

Ich habe eines nie verstanden: z.B. in Potsdam - die Zahnärzte der Stadtteile Bornstedt und Bornim wurden Groß Glienicke zugeordnet, um diese zahlenmäßig zu entlasten - was löblich ist. Das heißt, dass es einem Patienten aus Groß Glienicke zuzumuten ist, nach Potsdam zu fahren. Auf meine Anfrage bei der KZV, warum dann Bornstedt, Potsdam und Groß Glienicke nicht zusammengefasst werden könnten, kam nur die Antwort, weil es dem Patienten aus Potsdam nicht zuzumuten ist, nach Groß Glienicke zu fahren.  Und wenn es dem Patienten aus Groß Glienicke zuzumuten ist, nach Potsdam zu fahren, dann kann auch der Patient aus Teltow, Werder ect. nach Potsdam fahren und in die andere Richtung.

Diese Logik versteht doch kein normal denkender Zahnarzt.

Jedem Patienten mit akuten Zahnproblemen (es ist ein sehr unangenehmer aber kein lebensgefährlicher Zustand)  muss umgehend geholfen werden - 365 Tage im Jahr - es ist dem Patienten aber zuzumuten, hier auch einen gewissen Weg zu fahren - vor allem in ländlichen Regionen - und mit dieser Meinung bin ich nicht allein. Daher sehe ich eine erneute Diskussion als aktuell an - egal wer wann was zugestimmt hat. Diese Diskussion betrifft nicht nur Sie und Herrn Dr. Weßlau - Sie betrifft alle Zahnärzte - und wenn Sie eine neutrale Meinung der Zahnärzte haben wollen, müssen Sie eine Wahlumfrage realisieren - mit vorher genau ausgearbeiteten Wahlszenarien, die durchaus auch die Extreme aufführen können - nur dann erhalten Sie die wahre Meinung der Zahnärzte - dann haben Sie ein Wahlergebnis, welches umzusetzen ist - und 4 oder 5 Jahre später führen Sie eine erneute Wahl durch, ob der Weg immer noch dem Mehrheitswillen entspricht - das ist Demokratie. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass alle Zahnärzte gefragt wurden, was sie wünschen.

PS: als letzten Punkt - mein Engagement bei der Wahl hat nichts mit Schwächung der KZV oder Kammer zu tun. Die Zeit ändert sich, der zahnärztliche Markt ändert sich - das heißt, es muss sich auch die ZÄK und die KZV weiterentwickeln - hier möchte ich meine Sichtweisen einbringen. Dann wird diskutiert - und es wird dann etwas immer besseres dabei herauskommen. Jede Seite muss aber auch die Größe haben, andere Sichtweisen zulassen zu können. Das sehe ich derzeit noch als Problem.

Ich freue mich auf gute Diskussionen und bitte immer um absolute Sachlichkeit.

Mit lieben Grüßen
Stefan Dörfer

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